Gespräch in Mailand mit Konstantin Grcic über die Büros der Techfirmen im Silicon Valley, seine Arbeit für Vitra und sein neues Studio in Berlin
Warum zeigt Vitra auf der Möbelmesse in Mailand von Ihnen ausschließlich Büromöbel?
Vitra hat meinen Stuhl “Rookie” letztes Jahr auf der Orgatec in Köln bereits in einem reinen Bürokontext präsentiert und zeigt ihn nun hier in Mailand auf dem Salone del Mobile. Der Stuhl ist im Vergleich zu Drehstühlen mit komplexer Mechanik einfach gehalten und von den Dimensionen eher klein. Er funktioniert auch gut in einem privaten Wohnumfeld, zum Beispiel im Homeoffice.
Ausgangspunkt Ihrer Beschäftigung mit Büromöbeln für Vitra war eine Reise nach Kalifornien zu den großen Techfirmen im Silicon Valley. Welche Erkenntnisse habe Sie mitgebracht?
Wir haben damals in Los Angeles und San Francisco viele dieser großen Techfirmen wie Facebook, Google oder Apple besucht, um uns deren Büros anzuschauen. Unser Kontakte vor Ort waren hauptsächlich die Facillity Manager, also die Leute, die in diesen Büros die ganze Möblierung organisieren. Der interessante Aspekt war, dass die ständig damit beschäftigt waren, die Büros immer wieder umzuplanen. Oft arbeiten in den Firmen zunächst nur kleine Teams zusammen. Dann wird das Projekt plötzlich wichtig und wächst. Über Nacht müssen immer mehr Leute ihren Arbeitsplatz finden. In drei Monaten löst sich das Projekt dann wieder auf. Dass erfordert ein ständiges Umplanen der Büroausstattung. Wir haben das alles genau beobachtet und dann versucht, darauf mit neuen Produktlösungen zu reagieren. So haben wir unter anderem das flexibel einsetzbare System “Hack” entwickelt.
Gibt einen spezifischen Einrichtungsstil in den Büros der Dotcom Firmen?
Nein, die Büros sind alle sehr unterschiedlich. Dort wird nicht ausschließlich im Stehen gearbeitet oder nur ortsunabhängig, sondern es gibt viele unter- schiedliche Arbeitssituationen. Diese Mischformen – das ist eigentlich das Interessante an dieser neuen Art der Bürogestaltung. Für Vitra ist das eine spannende Entwicklung. Vitra war nie so sehr auf Büromöbel spezialisiert. Das Unternehmen hatte lange Zeit nur einige wenige Stühle und Systemmöbel fürs Büro im Programm. Was heute ein modernes Office ausmacht, das bildet trotzdem ziemlich gut die gesamte Palette von Vitra ab. Man mischt zum Beispiel auch im Büro Designklassiker mit ganz neuen Dingen. Reine Büro- möbel, die sehr technischen Charakter haben, treffen in einem Arbeitsumfeld nun auf wohnliche Elemente wie zum Beispiel die Teppiche von Alexander Girard. Das gesamte Vita-Programm liefert trotz des Fokus auf das Wohnen ein ganz gutes Abbild von dem, wie Büros heute eingerichtet sind oder was sie alles brauchen.
Was zeichnet Ihren Stuhl Rookie aus, den Sie hier auf dem Salone del Mobile zeigen?
Der Stuhl ist nicht zu verstehen als Gegenposition zu den anderen Bürostühlen, die mit ihren vielfältigen Anpassungsmöglichkeiten mehr Maschinen sind, sondern als Ergänzung dazu. An manchen Arbeitsplätzen kommt man mit so einem einfachen Sitzmöbel gut aus. Beim Rookie kann der Nutzer auch wechseln – mal sitzt einer eine halbe Stunde darauf, dann wieder ein anderer. Für solche Anforderungen braucht es einen Bürostuhl, welcher Komfort bietet, aber nicht unbedingt zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten benötigt, wie sie die aufwendig konstruierten Sitzmaschinen bieten. Das würde dazu führen, dass der Stuhl ständig falsch eingestellt ist, weil sich niemand damit richtig auskennt. Rookie ist ebenso ein Stuhl, der im Preisgefüge anders angelegt ist, als die Stühle, die mehr können. Deswegen zielt der Entwurf auch auf andere Formen von Büros, zum Beispiel solchen von Bildungseinrichtungen oder Universitäten. Dort gibt es ebenfalls Arbeitsplätze, aber mit ganz anderen Anforderungen und kleineren Budgets.
Wie wichtig ist Ihnen der Aspekt der Gesundheit und das heute vielfach geforderte bewegte Sitzen?
Ich glaube, die Tatsache allein, dass man auf solchen Stühlen wie Rookie gar nicht so lange sitzt, ist schon mal gesünder. Was wir dann entwickelt haben an Ergonomie und Unterstützung ist auf einem sehr guten, angemessenen Niveau. Das Anlehnen ist oft gar nicht so wichtig. Man sitzt beim Arbeiten häufig nach vorne gelehnt, die Rücklehne ist deshalb kleiner und bietet so mehr Beweglichkeit. Beim Rookie ist der Sitz das zentrale Bauteil. Er hat ein sorgfältig ausgearbeitetes Polster in einer Schale und in dessen Vorderkante ist eine kleine Mechanik versteckt. Wenn man nach vorne gerichtet arbeitet, stellt man die Stühle oft ein wenig höher ein. Deshalb hat die vordere Lippe ein Gelenk, so dass man in der nach vorne gebeugten Sitzposition eine gute Unterstützung hat.
Im Zuge der Arbeit mit mobilen Geräten wie Laptop oder Tablet sprechen manche bereits vom Verschwinden des Schreibtisches im Büro. Sehen Sie das auch so?
So absolut sehe ich das nicht. Der eigene Schreibtisch ist vielleicht für manche Arbeitsplätze nicht mehr unbedingt relevant. Ich persönlich habe aber noch meinen eigenen Schreibtisch, darüber bin ich froh und brauche das auch. Der Schreibtisch ist wie eine eigene Zelle und mehr ein Ort im Raum. Ich finde, das moderne Büro ist ein Mix aus vielen unterschiedlichen Elementen. Es gibt Arbeitsplätze völlig ohne Schreibtische, aber auch immer noch solche mit.
Sie sind vor einiger Zeit nun auch mit ihrem Büro komplett von München nach Berlin umgezogen. Wie sieht Ihr Büro aus, arbeiten Sie in einem Open Space?
Ja, das ist ein offener Raum. Ich mag das. Wir sind ein kleines Team. Es gibt keinen Grund für eine Trennung. Wir haben einen Besprechungstisch, der braucht eine gewisse akustische Abkopplung. Aber wir brauchen keine se- paraten Räume.
Haben Sie bei der Neueinrichtung der Arbeitsplätze in Ihrem neuen Ber- liner Studio die Erkenntnisse aus der Arbeit für Vitra umsetzen können? Natürlich sind da Erfahrungen eingeflossen. Allerdings waren das vielfach Erfahrungen aus meinem alten Büro, welches sich lange nur an einem Ort befand. Dort waren mit der Zeit die Dinge sehr statisch geworden. Mit dem Umzug eröffnete sich die Möglichkeit für einen Neustart. Ich habe viele Möbel, die eigentlich schön sind, in einem Depot verschlossen. Nur um mir bewußt Freiraum zu schaffen, damit sich an dem neuen Ort auch Dinge entwickeln können. Ich bin überhaupt nicht so ein Planer, der schon vorher weiß, wohin der Tisch kommt und wohin ich die anderen Einrichtungsgegenstände stelle. Mir sind einfache Sachen wichtig. In meinem alten Büro hatte ich nie freie Wandfläche, alles war verstellt. Wandfläche braucht man aber zum Arbeiten, um dort etwas aufzuhängen, aber auch um Ruhe zu schaffen. Darauf habe ich in meinen neuen Räumen total geachtet.