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Foto: © Christophe Delcourt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gespräch mit dem in Paris lebenden Designer Christophe Delcourt

auf dem Salone del Mobile in Mailand

Christophe Delcourt gehört zu den derzeit einflussreichsten Möbeldesignern aus Frankreich.

Der in Paris klebende Designer hat nach seinem Theaterstudium 1995 sein eigenes Studio gegründet.

Er versteht sich nicht nur als Gestalter, sondern fertigt viele seiner Möbel selber.

Delcourt verarbeitet hochwertige Materialien wie Holz, Bronze, Metall, Keramik oder Leder

nach traditioneller Handwerkskunst. Er setzt mit seiner “Slow Design” Haltung einen

Gegenpol zur von Trends und Moden gekennzeichneten, schnelllebigen Möbelwelt.

Seit rund zwei Jahren arbeitet Christophe Delcourt für den traditionsreichen italienischen

Hersteller Minotti und hat dort mit seinem Entwürfen ein starkes Statement gesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: © Minotti

 

Sie haben keine Ausbildung an einer Hochschule absolviert,

sondern sind Autodidakt. Wie ist ihr Werdegang als Designer?

Ich habe Schauspiel studiert und immer schon gerne mit Künstlern und Handwerkern gearbeitet. Deren Arbeit hat mich dazu inspiriert, auch selber handwerklich tätig zu werden. Heute entwerfe ich

in meinem Studio in Paris die Möbel nicht nur, sondern ich betreibe

auch eine Manufaktur, in der ich meine eigene Kollektion eigenhändig

fertige. Darüber hinaus unterrichte ich Design und Innenarchitektur an

der Hochschule in Paris.

 

Sie präsentieren hier in Mailand auf den Salone del Mobile ihre neue

Kollektion für Minotti. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem

traditionsreichen italienischen Möbelhersteller?

Ich bekam vor rund drei Jahren eine E-Mail mit einer Anfrage für ein

Meeting. Minotti hatte meine Arbeit seit einiger Zeit verfolgt und war

sehr interessiert an meiner Haltung als Designer. Die beiden Inhaber

Renato und Roberto Minotti waren auch an meiner Person interessiert

und glaubten, ich würde gut zu dem Unternehmen passen. Wir starten mit

einigen kleineren Arbeiten, darunter ein Sessel, ein Tisch, einige Storage-

Elemente und mit „Granville“ im letzten Jahr auch ein Sofa. Hier auf der

Messe präsentiert Minotti mein neues Sofasystem „Daniels“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: © Minotti

 

Was sind die Besonderheiten des Sofas Daniels?

Das System besteht aus rund 150 einzelnen Elementen. Aufgrund dieser

Vielfalt ist jede Konfiguration des Möbels als ein maßgefertigtes Einzelstück

zu sehen, wie es sonst nur der Handwerker liefern kann. Ein wichtiger

Aspekt war es, ein Sofa zu entwerfen, welches nicht mehr nur an der Wand

steht, sondern sich auch frei im Raum platzieren lässt. Deshalb wollte

ich den Rücken nicht verstecken, sondern ihn ebenso wie alle anderen

sichtbaren Elemente hochwertig ausführen.

Das System bietet einfache Möglichkeiten, Elemente miteinander zu

kombinieren. Das ebenfalls von mir entworfene niedrige Storage-Möbel

„Amber“ mit seinen 1/4-, 1/8- und 1/16-Kreissegmenten kann mit den

Sitzsystemen kombiniert werden. Dadurch entstehen interessante Kontraste

zwischen weichen und harten Materialien. Statt des konventionellen

linearen Schemas beim traditionellen Sofa lassen sich mit dem System

dynamische Wohnlandschaften für unterschiedlichste Raumsituationen

realisieren. Minotti arbeitet mit vielen Architekten und Innenarchitekten

zusammen. Die suchen nach hochgradig personalisierten Lösungen für

ihre Kunden. Mit dem Daniels Sofa können Architekten fast jeden nur

erdenklichen Entwurf umsetzen.

 

Welche Akzente können Sie als französischer Designer bei einem so

spezifisch italienischen Möbelunternehmen wie

Minotti setzen?

In den letzten 20 Jahren war Rudolfo Dordoni als alleiniger Kreativdirektor

für das Design bei Minotti verantwortlich. Ich war vor rund zwei

Jahren der erste Designer, der von Außen dazu gekommen ist. Seit dem

letzten Jahr arbeiten für Minotti auch der Architekt Marcio Kogan Brasilien,

das Designstudio Nendo aus aus Japan sowie das Designerduo GamFratesi

aus Dänemark. Minotti erzielt 86 Prozent seines Umsatzes

mit dem Export und möchte deshalb den Dialog mit unterschiedlichen

Kulturen weiter vorantreiben. Minotti möchte sich damit als Unternehmen

weiter entwickeln und mit neuen Energien sein Programm bereichern.

 

Einer Ihrer Lieblingskünstler ist Carl Andre, in der Architektur nennen

Sie John Pawson als wichtigen Einfluss. Würden Sie Ihren Stil als

minimalistisch bezeichnen?

Zu den Künstlern, die für mich wichtig sind, zähle ich noch den Bildhauer

Constantin Brâncuși. Ob eine Arbeit minimalistisch ist oder nicht, ist für

mich kein zentraler Aspekt. Ich mag Dinge, die ihre Zeit überleben und

auch noch in zehn Jahren gut aussehen. Eine gewisse Einfachheit finde

ich schon interessant, gleichzeitig sind für mich aber auch Ästhetik und

Komfort wichtige Kategorien. Komfort ist für mich etwas sinnliches und

definiert die Interaktion mit dem Möbel. Einfachheit bedeutet deshalb

nicht: Fass mich nicht an. Beim Nutzer muss sich das Bedürfnis einstellen

das Möbel berühren zu wollen und es zu benutzen. Der reine Minimalismus

kann manchmal davor abschrecken und ein wenig steril wirken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: © Delcourt Collection

 

Gibt es in der Designhistorie eine besonders wichtige Person für Sie?

Ich arbeite auch als Lehrer, deshalb finde ich ist das Wissen über die Historie

des Designs sehr wichtig. Eine der zentralen Figuren im modernen

Design für mich persönlich ist Charlotte Perriand. Deren Stil ist einfach

und pur. Ich liebe genauso wie Perriand den Werkstoff Holz. Mich interessiert

auch deren spezielle Art Möbel zu fertigen, wie sie die Elemente

zusammenfügt. Charlotte Perriand steht für mich für eine sinnliche Art

des Minimalismus.

 

Wie sehen Sie das Verhältnis von Architektur und Möbeldesign?

Für mich sind Möbel Teil des Alltags, des wirklichen Lebens und deshalb

sehr wichtig für uns Menschen. Sie sind definiert über ihre Funktionen

und über den Nutzen, den sie im Gebrauch liefern. Zur Funktion von

Möbeln gehört auch der Komfort und selbstverständlich sollen Möbel

auch schön sein. Möbel sind deshalb aber nie einfach nur Dekorationsobjekte

für den vom Architekten entworfenen Raum. Sie geben dem Raum

seinen spezifischen Charakter und verankern ihn im alltäglichen Leben

der Menschen.