Ein Gespräch auf der Orgatec 2018 in Köln mit der italienischen Designlegende Rudolfo Dordoni über Büromöbel, Architektur, Mode und den Wandel in der Designszenen
Rudolfo Dordoni ist 1954 in Mailand geboren. Nach seinem Studium der Architektur am Polytechnikum in Mailand arbeitete er von 1979 – 1989 als Kreativdirektor für den Möbelhersteller Cappellini. Danach war Dordoni für zahlreiche namhafte Designfirmen tätig, darunter Minotti, Foscarini, Flos, Artemide, Molteni, Ketall oder DeSede. Seit 1995 arbeitet Dordoni für die Modemarke Dolce & Gabbana und ist dort für die Einrichtung der Läden und Showrooms zuständig. Auf der Orgatec 2018 in Köln präsentierte der zur Molteni Gruppe gehörende Möbelproduzent Uniform erstmals eine Büromöbellinie von Dordoni.
Sie haben für viele renommierte Designmarken Möbel und Leuchten entworfen. Wie kam es zu der Arbeit für Uniform und die Entwicklung von Büromöbeln?
Im Bereich Büromöbel habe ich bislang nur einige kleinere Einzelprojekte für Matteo Grassi, Tecno oder Poltona Frau realisiert. Die Arbeit für Uniform war von Anfang an langfristiger und umfassender angelegt. Ausgangspunkt war meine Tätigkeit als Kreativdirektor für Molteni, die luxuriöse Wohnmöbel herstellen. Für Molteni habe ich nicht einfach einzelne Produkte entworfen, sondern ein System entwickelt, um unterschiedliche Interiorlösungen zu konfigurieren. Den Systemgedanken wollte ich noch stärker auf den Bereich der Büromöbel übertragen. Bei unseren neuen Polstermöbeln fürs Office können wir zum Beispiel jede Art von Rückenlehne in vielen Ausführungen und Positionen auf den Rahmen montieren.
Sie bringen so Elemente aus dem Wohnen in die Welt des Büros?
Ja, das ist richtig. Die Atmosphäre im Büro verändert sich derzeit sehr stark und nähert sich dem Wohnen an. Wir haben festgestellt, dass zum Beispiel die Sofas, die wir bei Molteni produzieren, auch im Office funktionieren. Wohnmöbel haben aber einen anderen Anspruch an den Komfort und den Gebrauch. Das Design eines Sofas für ein Büro ist deshalb am Ende doch sehr verschieden von dem fürs Wohnzimmer. Wir mussten viele Details ändern, wie die Stoffbezüge, die Kissen oder die Dimensionen der Möbel. Wichtig war mir, dass die hochwertige Anmutung, die unsere Kunden von Molteni kennen, die gleiche bleibt.
Uniform arbeitet mit namhaften Architekten wie Fosters + Partners oder David Chipperfield Architects zusammen. Sie selber sind auch ausgebildet als Architekt. Wie unterscheidet sich der Möbelentwurf eines Architekten von dem eines Produktdesigners?
Die Arbeitsweise im Design und in der Architektur ist mit Sicherheit sehr verschieden. Vor allem unterscheiden sich die Größendimensionen, ebenso die Funktion der Entwürfe. Es gibt aber auch starke Gemeinsamkeiten. Die Arbeit hängt immer von der Haltung und dem Charakter des Gestalters ab. Als Persönlichkeit bringe ich mich mit meiner Auffassung von Schönheit auf die gleiche Art in ein Designprojekt ein wie in eines in der Architektur.
Sie gelten als ein Designer, dessen Haltung stark von der Mode beeinflusst ist. Wie ist ihr Verhältnis zur Mode?
Ich habe mein ganzes Leben mich mit Mode auseinandergesetzt und glaube, die Mode ist ein wichtiger Bestandteil unseres Alltags. In der Mode erleben wir unmittelbar die Veränderung des Geschmacks. Diese Art von ständigem Wandel findet mann auch im Design oder der Esskultur. Wenn man alle diese kulturellen Phänomene beobachtet, wird klar, dass man heute ein Sofa anders gestalten muss als in der Vergangenheit. Das heißt aber nicht, dass ich die Historie nicht einbeziehe. Es ist für einen Designer sehr reizvoll, einen Stil zu erneuern und ihn wieder an die Gegenwart heranzuführen.
Zu Anfang ihrer Karriere haben Sie für Cappellini, einer der einflussreichsten italienischen Designfirmen, gearbeitet. Wie hat diese Zeit ihre Arbeit geprägt?
Ich habe Giulio Cappellini auf der Universität kennen gelernt und von 1979 bis 1989 mit ihm die Firma Cappellini aufgebaut. Ich wollte nach meinem Studium eigentlich als Architekt arbeiten. Von der Designwelt wußte ich nicht viel. An den Schulen wurde Design noch nicht als eigenständige Disziplin gelehrt, man konnte allenfalls einen Workshop besuchen. Als ich dann begonnen habe, für einen Hersteller zu arbeiten, habe ich enorm viel gelernt. Ich verstand, dass Design immer nur als Prozess funktioniert, der von der Idee bis zum Verkauf reicht. Deshalb stelle ich bei meinen Entwürfen nicht mich selber zur Schau, sondern orientiere mich an der Erfordernissen des Marktes und der Kunden.
Cappellini war in den Anfängen eine Plattform für damals noch junge Designer wie Jasper Morrison, Marcel Wanders oder Tom Dixon, die heute alle weltberühmt sind. Wie unterscheidet sich der Geist dieser Zeit mit der Designszene von heute?
In dieser Zeit waren Firmen wie Cappellini, Driade, B&B Italia oder Cassina noch selten. Sie waren die ersten Hersteller, die den Designern die Möglichkeiten gaben, ihre Entwürfe in Produkte umzusetzen. Heute arbeiten sehr viele Firmen auf diese Weise und es gibt viel mehr Designer. Die Szene hat sich nicht so sehr verändert, sie ist vor allem viel größer geworden.
Cappellini hat in seinen Anfängen einen komplett neuen Look etabliert, der heute noch inspirierend ist. Woher kommt in der Gegenwart im Design die Innovation?
Die Entwicklung neuer Materialien und Technologien hat sicher einen enormen Einfluss. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, das früher der Designer immer nur ein Einzelstück entworfen hat, welches auf sich selber referierte. Das Design ist heute viel breiter aufgestellt. Ich kann limitierte Editionen entwerfen, die in einer Galerie verkauft werden. Oder eine komplette Kollektion für einen Hersteller entwickeln, vom Möbel bis zur Dekoration. Design steht heute in einem viel größeren Kontext, was eine Vielzahl von neuen Möglichkeiten eröffnet.
Glauben Sie, heute ist es für einen jungen Designer einfacher seine Produkte zu vermarkten?
Auf der einen Seite es ist sicher einfacher, es gibt für einen Designer viel mehr Gelegenheiten, seine Entwürfe zu realisieren, medial zu verbreiten oder sogar selbstständig über das Internet zu vertreiben. Junge Designer stehen aber auch viel stärker im Wettbewerb und gehen deshalb mit bereits fertigen Prototypen direkt auf die Firmen zu. Das hat die Strategie der Hersteller verändert. Die Unternehmen gehen bei der Arbeit mit jungen Designern kein so großes Risiko mehr ein. Sie wählen aus den Prototypen nur noch aus und investieren weniger in die eigene Entwicklung.